Ergebnisse
In diesem Forschungsvorhaben wurden von 2001 bis 2004 die Ursachen für die vergleichs- weise hohe Cs-137 Aktivität von Wildbret, insbesondere von Wildschweinen, in
Teilen des Bayerischen Waldes (Untersuchungsgebiet s. Abbildung 1), die durch den Tschernobyl-Fallout besonders betroffen sind, detailliert aufgeklärt. Ein wesentliches Ziel des Forschungs- vorhabens war die
Entwicklung eines dynamischen radioökologischen Modells, das den bisherigen Zeitverlauf der Kontamination von Rehen, Rothirschen und Wildschweinen beschreibt und den weiteren Verlauf prognostiziert. Die
Zusammensetzung der Nahrung von Wildschweinen und Rothirschen wurde durch Mageninhaltsanalysen bestimmt, die relevanten Nahrungskomponenten dann im Untersuchungsgebiet beprobt und deren Cs-137 Aktivität ermittelt.
Abb. 1: lage des Untersuchungsgebietes im Bayerischen Wald
Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet 20 Bodenprofile
bis 20-30 cm Tiefe volumenecht entnommen. Es zeigt sich, dass der größte Teil der Aktivität nicht mehr in der Humusauflage
ist, wie in den 80er und 90er Jahren, sondern in dem ca. 8 cm umfassenden Bereich zwischen der unteren Humusauflage und dem oberen Mineralboden. Inzwischen enthalten auf der
Dauerprobefläche B1 die obersten 2 cm des Bodens mit 1,4% fast gleich viel Aktivität wie die 28-30 cm Schicht mit 1,2%.
Für die mathematische Beschreibung der Tiefenverteilung von Cs-137 im Waldboden wurde ein
radioökologisches Modell entwickelt, das den Boden in übereinander liegende 2 cm Kompartimente einteilt, in denen die Migration, Fixierung und Desorption von Cs-137
stattfindet. Diese Prozesse werden durch ein System von Differenzialgleichungen beschrieben. Die mittlere Abweichung der Modelldaten von den Messdaten beträgt 0,77%.
Bei allen untersuchten Pflanzenarten nahm die Cs-137 Aktivität von 1987 bis 2004 deutlich
ab, bei den meisten Arten setzte sich der seit 1995 bestehende Trend zu einer langsameren Aktivitätsabnahme fort. Viele Pflanzenarten hatten mittlere Cs-137 Gehalte in den Blättern von
unter 1.000 Bq/kg Frischsubstanz (FS), nur wenige Arten, wie Dornfarn und Heidelbeere, wiesen höhere Aktivitäten auf. Bei den oberirdischen Fruchtkörpern von Pilzen variierte die
Kontamination von durchschnittlich 24 Bq Cs-137/kg bei Parasol bis rund 2.800 Bq Cs-137/kg bei Maronenröhrlingen. Dagegen übertraf die Kontamination von Hirschtrüffeln, mit
durchschnittlich 26.800 Bq Cs-137/kg, alle anderen potenziellen Nahrungsbestandteile der Wildschweine, um ein Vielfaches.
Es wurden die Nahrungsbestandteile von 37 Rothirschmägen und 70 Wildschweinmägen ermittelt. Bei den Mageninhaltsanalysen von Rothirschen
stellten Gräser, die mit 29 Arten vertreten waren, mit 60,2% die mit Abstand wichtigste Gruppe und wurden in allen Mägen nachgewiesen. Das Nahrungsspektrum der Wildschweine
war wesentlich differenzierter. Die untersuchten Wildschweinmägen enthielten rund 20% Gräser, Früchte und Bestand-teile aus
Fütterungen zu je 17%, Kräuter 13%, Wurzeln 12% und Boden 11%. Pilze machten 7,6% aus, wovon 5,5% auf Hirschtrüffeln entfielen. Während der Buchenmast 2003 enthielten die Mägen
mehrere Monate lang vorwiegend Bucheckern.
Die Cs-137 Aktivität von Rothirschen nahm von 1986-2004 hoch signifikant ab (n=205,
P<0,0001). Messwerte über 1000 Bq/kg kommen bereits seit 1994 nicht mehr vor, 2003 lag kein Messwert über 500 Bq/kg. Von April 1987 bis April 2004 beträgt die effektive
Halbwertszeit für Cs-137 in Rothirschen 4,6 Jahre. Trendmäßig werden Rothirsche in den nächsten Jahren nur noch vereinzelt über 600 Bq Cs-137/kg aufweisen.
Im Muskelfleisch von Rehen variierte die Cs-137 Aktivität in jedem Untersuchungsjahr
ausgesprochen saisonal, mit niedrigen Werten im Frühjahr und deutlich höheren Werten im Herbst. Für den gesamten Untersuchungszeitraum, von 1987-2004, ergibt sich für Cs-137 in
Rehen (n=1.663) eine effektive Halbwertszeit von 6,9 Jahren (P<0,0001). Die mathe-matische Abschätzung des weiteren Verlaufs der 137Cs Kontamination von Rehwild ergibt, dass ab dem
Jahr 2017 etwa 95% der erlegten Tiere weniger als 600 Bq/kg Gesamtcäsium haben werden.
Die Cs-137 Kontamination von Wildschweinen nahm von 1987 bis 2004, mit einer
Verdoppelungszeit von 78 Jahren, statistisch nicht signifikant, zu. Die mittlere Kontamination betrug 2004 rund 6.710 Bq/kg (n=91), 1988 war es 4.810 Bq/kg (n=34) in der Frischsubstanz.
Als bedeutendste Kontaminationsquelle für Wildschweine müssen unterirdisch wachsende
Hirschtrüffeln angesehen werden, die mit rund 82% den mit Abstand größten Beitrag am Cs-137 Input leisten. Bei Wildschweinen im Untersuchungs-gebiet kann auch in den
kommenden zwei Jahrzehnten nicht mit dem Rückgang der Cs-Kontamination gerechnet werden. Lediglich während so genannter Mastjahre ist mit weniger als 600 Bq/kg
kontaminiertem Wildschweinfleisch zu rechnen. Es wird empfohlen, grundsätzlich jedes erlegte Wildschwein aus dem Untersuchungsgebiet auf die137Cs Aktivität messen zu lassen.
Die entwickelten radioökologischen Modelle ermöglichen die Abschätzung der Cs-137 Kontamination von Rehen, Rothirschen und Wildschweinen. Die Modelle enthalten eine
detaillierte Beschreibung der Dynamik von Cs-137 in den wesentlichen Kompartimenten Boden und Pflanzen und die Modellierung der qualitativen und quantitativen Nahrungs-aufnahme von
Reh, Rothirsch und Wildschwein. Die Flüsse zwischen den Komparti-menten werden durch ein System von Differenzialgleichungen beschrieben.
Der Verlauf der Cs-137 Aktivität im untersuchten Waldökosystem wird in den nächsten
Jahrzehnten besonders von der Migration des Nuklids im Waldboden abhängen. Setzt sich der festgestellte Trend, eine zwar langsame, aber doch kontinuierliche Wanderung des Nuklids in
tiefere Mineralbodenschichten fort, so wird auch die Cs-137 Aktivität in den relativ hoch kontaminierten Wildschweinen und in vielen Pilzarten langsam abnehmen.
Aktivitätsbestimmung Die Aktivitätsmessungen der Proben wurden im Isotopenlaboratorium für biologische und
medizinische Forschung der Universität Göttingen durchgeführt, seit 2000 im Labor für Radioisotope
(LARI) am Institut für Forstbotanik der Universität Göttingen.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Der Text gibt die Auffassung und Meinung des Auftragnehmers wieder und muss nicht mit der des Bundesumweltministeriums übereinstimmen.
Die Arbeiten wurden mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitfinanziert.
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